Die unterschätzte Alternative

R723 ist ein natürliches Kältemittel, das aus 60 Masseprozent Ammoniak und 40 Masseprozent Dimethylether besteht. Im Jahr 2009 stellte die Südbayerische Fleischwaren GmbH ihr Werk in Obertraubling auf dieses Kältemittel um . Johann Baumer, Geschäftsführer des Fleischwerks in Obertraubling bei Regensburg und Rudolf Einöder, Geschäftsführer des ausführenden Kälte-Klima-Fachbetriebs Einöder GmbH, erläutern im Gespräch mit der dei die ökologischen und ökonomischen Vorteile einer Umstellung auf natürliche Kältemittel.

dei: Herr Einöder, warum empfehlen Sie den Umstieg auf natürliche Kältemittel?

Einöder: Bereits in den 1990er-Jahren ist das Treib- und Kältemittel FCKW aus dem Verkehr gezogen worden. Der Nachfolger H-FCKW ist seit Anfang 2010 auch für Handel- und Reparaturfüllungen verboten. Als Ersatzstoff nutzen viele Unternehmen das chlorfreie FKW. Da dieses aber auch den Treibhauseffekt fördert, ist mittelfristig mit einem Verbot zu rechnen. Wer dann nicht noch einmal teuer umrüsten will, setzt am besten jetzt schon auf natürliche Alternativen wie Ammoniak, Propan, CO2 oder R723.

dei: Lohnt sich der Umstieg nur aus ökologischer Sicht oder bringt dieser auch wirtschaftliche Vorteile?

Einöder: Aufgrund ihrer günstigen thermodynamischen Eigenschaften kann man mit natürlichen Kühlmitteln richtig bei den Energiekosten sparen. Der Umstieg lohnt sich also auch ökonomisch.

dei: Herr Baumer, was war für die Südbaye- rische Fleischwaren GmbH der entscheidende Grund für die Umstellung auf eine Anlage mit natürlichen Kältemitteln?

Baumer: Wir kannten die Problematik, die im Zuge der F-Gase-Verordnung auf Betreiber herkömmlicher Anlagen zukommt. Für uns war es deshalb sehr wichtig, auf eine zukunftsweisende Technik zu setzen. Da wir zudem unsere Produktion erhöht haben, benötigten wir auch für die Kühlanlage ein höheres Leistungsvolumen. In unserem Schwesterwerk in Traunstein gibt es bereits seit 2007 eine ähnliche Anlage, die auch komplett mit natürlichen Kühlmitteln betrieben wird. Die guten Erfahrungen dort und das Wissen, mit dieser Anlage auch umwelttechnisch langfristig gut zu planen, haben uns überzeugt.

dei: Herr Einöder, was für eine Anlage haben Sie in Obertraubling installiert?

Einöder: Das sind zwei Verbundanlagen, die mit dem natürlichen Kühlmittel R723 – einem Gemisch aus Ammoniak und Dimethylether – betrieben werden. Wichtig fürs Klima: R723 hat nur einen sehr geringen GWP-Wert von 8.

dei: Was versteht man unter dem GWP-Wert?

Einöder: GWP steht für Greenhouse Warming Potential. Der GWP-Wert ist also ein Maß für das Treibhauspotenzial eines Kühlstoffs. Für FKWs liegt er bei 1300, für FCKWs bei 8500. Im Vergleich zu diesen Werten hat R723 ein sehr geringes Treibhauspotenzial. Im Unterschied zu synthetischen Kältemitteln zeichnet sich Ammoniak durch eine überdurchschnittlich hohe Kühlwirkung aus. Aber zurück zu den von uns installierten Kälteanlagen. Sie haben jeweils eine Kälteleistung von 150 kW. Die alte Anlage verfügte lediglich über eine Kälteleistung von zweimal 70 kW.

dei: Wie stellen Sie sicher, dass das Kältemittel nicht in Berührung mit den Lebensmitteln kommen kann?

Einöder: Die Übertragung der Kälte erfolgt indirekt mittels eines Kalt-Sole-Rohrsystems. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass die Kalt-Sole-Erzeuger mit einem Wärmerückgewinnungssystem ausgestattet wurden. Die hier anfallende Warm-Sole wird zur Erhitzung von Brauchwasser genutzt. Gleichzeitig dient sie zum Abtauen der Sole-Luftkühler. In der alten Anlage wurden letztere elektrisch abgetaut.

dei: Die neue Kälteanlage ist seit zwei Jahren in Betrieb. Herr Baumer, sind Sie zufrieden?

Baumer: Ja! Mit der neuen Anlage haben wir bereits in einem Jahr, also von 2009 auf 2010, eine Stromersparnis von rund 20 % erzielt, obwohl wir zeitgleich unsere Produktion erhöht haben. Mit dem natürlichen Kältemittel R723 benötigen wir weniger Energie zur Kühlung – und dies bei einem erhöhten Kältebedarf aufgrund der Erweiterung unserer Kühlräume.

dei: Welche Einspareffekte ergeben sich aus dem Wärmerückgewinnungssystem an den Kalt-Sole-Erzeugern?

Baumer: Pro Monat sparen wir 3000 bis 4000 l Heizöl. Das macht derzeit eine Ersparnis von rund 2000 Euro monatlich.

dei: Das sind Zahlen, die eigentlich überzeugen. Doch viele Unternehmen zögern nach wie vor beim Umstieg auf natürliche Kältemittel. Warum?

Einöder: Vielen ist leider nicht bewusst, welche wirtschaftlichen Einsparungen sich hier mittelfristig erzielen lassen. Zudem unterscheidet sich das Anlagekonzept für eine Kühlung mit natürlichen Kältemitteln stark von dem konventioneller Kälteanlagen. Deshalb sind auch viele Kältefachbetriebe noch unsicher und zurückhaltend.

dei: Worin bestehen diese Unterschiede?

Einöder: Der Bau einer Anlage auf Basis natürlicher Kältemittel erfordert in der Regel eine Anfangsinvestition, die ca. ein Drittel über der herkömmlicher Anlagen liegt. Das schreckt viele Betreiber ab. Im Anlagenbetrieb sind die natürlichen Kältemittel allerdings erheblich günstiger. Auch der Energieverbrauch spielt bei steigenden Energiepreisen eine immer größere Rolle. In Kombination mit der Förderung durch das BMU haben Betriebe die Mehrkosten der Anschaffung in der Regel bereits innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder eingespart. Zudem sollten Unternehmen heutzutage nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch und nachhaltig agieren.

dei: Herr Baumer, empfehlen Sie anderen Unternehmen die Umstellung auf natürliche Kühlmittel?

Baumer: Ja natürlich. Außerdem haben sich einige Unternehmen unsere neue Kälteanlage angeschaut. Und die meisten von ihnen waren danach überzeugt. (Melani Schaller)

Online-Info www.dei.de/d0911400